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Aus dem Einwohnerrat: Juni 2025
Haupt-Traktandum war der Jahresbericht 2024 der Gemeinde Riehen. Die Jahresrechnung schloss mit einem Defizit von CHF 11.7 Mio ab, 1.9 Mio mehr als budgetiert. Die Gründe sind: höhere Kosten für die Pflegefinanzierung infolge markanter Erhöhung der Tagestaxen in Pflegeheimen sowie eines Anstiegs von Pflegebewohnenden mit höherer Pflegestufe; höhere Zuschüsse an Tagesbetreuung für Kinder infolge geänderter kantonaler Steuergesetzgebung. Diese beinhalteten einerseits Qualitäts- und Kostensteigerungen bei den Betreuungsangeboten und anderseits höhere finanzielle Entlastung der Eltern, d.h. der Anteil der Familien mit Anspruchsberechtigung von Betreuungsbeiträgen stieg. Zudem war eine Verminderung der Einnahmen sowohl der Einkommens-, als auch Vermögenssteuern zu verzeichnen. Die Gemeinde verfügt aber immerhin über rund 400 Mio Eigenkapital.
Der Jahresbericht wurde einstimmig genehmigt. Es wurde an ihm aber viel Kritik geäussert: zu umfangreich bei mangelnder Übersichtlichkeit.
Der Geschäftsbericht der Wärmeverbund Riehen AG wurde vom Einwohnerrat zur Kenntnis genommen.
Unser Fraktionsvotum wurde von unserem Gemeinderats-Kandidat Simeon Schneider vorgetragen:
Finanzlage der Gemeinde und Einfluss der kantonalen Gesetzgebung
Der Jahresbericht 2024 ist der erste unter dem neuen Steuerungsmodell Riehen (NSR) und dem harmonisierten Rechnungslegungsmodell (HRM2). Die Finanzkommission hat deutlich gemacht, dass sich die Finanzlage der Gemeinde Riehen weiter verschlechtert hat und eine Trendwende, trotz kurzfristiger Sparmassnahmen, derzeit nicht in Sicht ist.
Die Jahresrechnung 2024 der Gemeinde Riehen weist ein Defizit von 11,7 Millionen Franken aus, was 1,9 Millionen Franken über dem budgetierten Defizit von 9,8 Millionen Franken liegt. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, die wir als EVP verstärkt betonen werden: Eine nachhaltige Finanzpolitik muss die Einnahmenseite des Budgets stärker berücksichtigen. Wir sind davon überzeugt, dass unausgeglichene Jahresrechnungen nicht allein durch Ausgabenkürzungen gelöst werden können.
In diesem Kontext begrüssen wir die bevorstehende umfassende Aufgabenüberprüfung und die Neuverhandlung des finanziellen Lastenausgleichs (FILA) mit dem Kanton Basel-Stadt. Der aktuelle Finanzausgleich berücksichtigt die heutige Realität und die ursprüngliche Ausgangslage nicht mehr angemessen. Während der Kanton seit Jahren finanzielle Überschüsse erzielt, verzeichnet Riehen aufgrund seiner Ausgaben im Bildungs- und Sozialbereich Defizite und muss dennoch den gleichen Nettoausgleich leisten. Zudem haben sich Verantwortlichkeiten für im FILA wesentliche Aufgaben verschoben. Ein Beispiel: Mit dem Inkrafttreten des neuen kantonalen Tagesbetreuungsgesetzes im vergangenen Jahr ist die Gemeinde Riehen mit Mehrausgaben von rund 1,8 Millionen Franken konfrontiert worden. Die vom Kanton zum neuen Tagesbetreuunsgesetz (TGB) erarbeitete Kostensteigerungsprognose wurde um über 31 % überschritten. Für das Jahr 2025 wird eine zusätzliche Zunahme von 3,9 Millionen Franken im Budgetbereich «Bildung und Familie» erwartet, bedingt durch kantonale Vorgaben zur Finanzierung der Tagesbetreuung.
Neben den vorliegenden direkten Kosten, erzeugt das TBG einen – grundsätzlich durchaus sympathischen - «Sogeffekt», zügeln doch Familien aus angrenzenden Kantonen aufgrund der attraktiveren Betreuungsbedingungen nach Basel-Stadt. Dies erhöht freilich die Nachfrage und somit die Ausgaben in Riehen weiter. Entsprechend hoch ist auch der Jugendquotient, laut Statistischem Amt Basel-Stadt unter allen Gemeinden und Wohnvierteln der höchste im Kanton. Unter dem Jugendquotient versteht man das Verhältnis der Personen im Alter von 0-19 Jahren zu denen im erwerbsfähigen Alter von 20-64 Jahren. Diese Entwicklung, kombiniert mit anderen kantonalen Vorgaben und Steuersenkungen, schafft ein herausforderndes finanzielles Umfeld für die Gemeinde.
Dies ist eine direkte Folge der neuen Gesetzgebung, welche die Gestaltungsfreiheit von der Gemeinde wegnahm. Unter NOKE (Neuordnung Verhältnis Kanton/Einwohnergemeinden), der ersten Ausgestaltung eines Finanz- und Lastenausgleichs und somit Vorläufer des heutigen FILAG, war die Verantwortung für das Tagesbetreuungsangebot und damit ausdrücklich auch die Hoheit über dessen Finanzierung an die Gemeinden übergeben worden. Diese Regelung ist durch das neue Tagesbetreuungsgesetz übersteuert worden, ohne dass es bisher im Finanz- und Lastenausgleich zu einer Anpassung kam. Damit wurde auch der verfassungsmässige Grundsatz des Zusammenführens von Aufgaben und Kompetenzen verletzt und die Autonomie beschnitten, und das, wie sich nun zeigt, zum Nachteil unserer Gemeinde. Wir tragen nun die finanzielle Last, ohne die notwendigen Steuerungsmöglichkeiten zu besitzen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die gemäss Bundesvorgaben korrekte Anwendung der OECD-Mindeststeuer durch den Kanton Basel-Stadt. Hier muss sichergestellt werden, dass Riehen und Bettingen angemessen an den Mehreinnahmen beteiligt werden, um die Auswirkungen kantonaler Steuersenkungen auf unsere Gemeindefinanzen zu kompensieren.
Dies sind für die EVP entscheidende Ansatzpunkte für eine nachhaltige Verbesserung der Finanzlage, die wir als Partei kritisch begleiten werden.
Die EVP strebt eine grössere Unabhängigkeit in Steuerfragen an. Anpassungen des Steuergesetzes oder entsprechende Kompensationsmechanismen sollen wirksam werden, wenn kantonale Steuersenkungen Auswirkungen auf Riehen und Bettingen haben. Es geht da insbesondere um die Festlegung der Steuerbelastung ihrer Steuerpflichtigen. Ein entsprechender Vorstoss wurde im Grossen Rat durch EVP Grossrat Thomas Widmer und LDP Grossrat Daniel Hettich eingereicht und letzten Mittwoch an den Regierungsrat überwiesen.
Pflegerestfinanzierung: Später, aber intensiver und teurer
Ein weiterer besorgniserregender Punkt ist die Kostenentwicklung in der Pflegerestfinanzierung. Wir stellen eine starke Zunahme der RAI-Stufe 8 und 12 fest, was bedeutet, dass Menschen später, aber dafür in einem sehr hohen und kostenintensiven Pflegebedarf ins Pflegeheim eintreten. Dies deutet auf einen Mangel an adäquaten intermediären Angeboten wie dem «Wohnen mit Dienstleistungen» hin. Wenn Seniorinnen und Senioren zu Hause oder in ungenügend betreuten Umfeldern zu lange verbleiben, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand oft drastisch, bevor sie schliesslich in ein Pflegeheim eintreten müssen – und das dann direkt in einer Stufe mit höchstem Betreuungsaufwand. Die EVP fordert hier eine stärkere Fokussierung auf präventive und unterstützende Wohnformen, die es ermöglichen, Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern und somit die Kosten langfristig zu senken.
Geschäftsprüfung und Rechnungslegung
Die GPK hat in ihrem Bericht die Bedeutung einer transparenten und verständlichen Berichterstattung hervorgehoben. Wir teilen die Ansicht, dass der Jahresbericht trotz Digitalisierung in seiner aktuellen Form noch nicht optimal leserfreundlich ist. Auflockernde Statistiken, aussagekräftige Diagramme und visuelle Elemente wie Icons oder Ampelsysteme könnten die Verständlichkeit für alle Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte sowie die Bevölkerung erheblich verbessern, wie es beispielsweise im Jahresbericht der Gemeinde Birsfelden umgesetzt wird. Die Vermeidung von Wiederholungen und unpräzisen Aussagen wie «Massnahmen sind in Erarbeitung» würde ebenfalls zur Qualität des Berichts beitragen.
Geschäftsbericht der Wärmeverbund Riehen AG
Der Geschäftsbericht der Wärmeverbund Riehen AG (WVR AG) zeigt erfreuliche Entwicklungen auf. Der Jahresgewinn von CHF 394'976 im Jahr 2024 und die Zunahme von 32 neuen Netzanschlussverträgen und 54 Neukunden bei konstantem Energiepreis sind positive Zeichen. Dies bestätigt die Bedeutung einer nachhaltigen Energieversorgung für Riehen.
Allerdings nehmen wir zur Kenntnis, dass das wichtige Projekt geo2riehen, welches die Nutzung der Erdwärme massgeblich erhöhen soll, aufgrund zusätzlicher Analysen bezüglich Grundwasserschutz und Seismizität mit Mehrkosten und einer Zeitverzögerung von 1-2 Jahren zu rechnen hat. Die Inbetriebnahme wird nun für 2029/2030 statt 2028 erwartet. Hier ist es entscheidend, dass die Gemeindeverwaltung und die WVR AG eng zusammenarbeiten, um diese Verzögerungen so gering wie möglich zu halten und die CO2-neutrale Wärmeproduktion so rasch wie möglich ohne den Einsatz von Erdgas zu gewährleisten, um das kantonale Ziel Netto Null 2037 zu erreichen. Die Speicherung überschüssiger Wärmeenergie aus Geothermie im Sommer für die kalten Wintertage ist ein vielversprechender Ansatz, der weiterverfolgt werden muss.
Walter Meili, Einwohnerrat
18. Juni 2025
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